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Fast 50 Jahre nach ihrem Tod sorgte sie das letzte
Mal für Schlagzeilen. In einer Auktion bei Sotheby's erzielte 1991 eine
Fotografie einen neuen Höchstpreis in der Geschichte des Mediums:
167 000 Dollar bezahlte die Esprit-Mitbegründerin Susie Tompkins
für ein Rosenstillleben von 1924, für ein Bild der Fotografin Tina
Modotti.
Der Fotografin? Tina Modotti (1896-1942) war vieles, und,
ja, das war sie auch. Modotti galt als Hure und Heilige des beginnenden
20. Jahrhunderts, als Mata Hari der Neuen Welt, als mexikanische
Rosa Luxemburg. Sie liebte, sie lebte, und sie kämpfte - auch mit der
Kamera. Dass sie vor ihrer politischen Karriere eine künstlerische
wählte, darf nicht leichthin als Folge ihrer Affäre mit Edward Weston
verstanden werden (bei dem sie 1923 bis 1926 gegen die Verrichtung
häuslicher Pflichten die Grundzüge der Fotografie vermittelt bekam).
Schon als Kind in Italien, Udine, war sie - im Fotostudio ihres Onkels
- mit dieser lichten Kunst in Berührung gekommen.
Über die Beweggründe für das fotografische Engagement der
Frau mit den vielen Leben - Modell, Hollywoodstar, Liebesdienerin und
Ministrantin Westons, Fotografin, Geliebte von Julio Mella, einem
kubanischen Revolutionär, abtrünnige Trotzkistin schliesslich (ein
besonders attraktives Gerücht) - ist zur Genüge spekuliert worden. Es
ist an der Zeit, die Politaktivistin mit dem ungeklärten Tod selber zu
befragen. Und das nun macht die Galerie ArteF; Alessandro Botteri Balli
zeigt einige wenige, exquisite Vintage-Fotografien von Tina Modotti.
Lediglich 400 Bilder von ihr, allesamt Unikate, sollen heute noch
erhalten sein.
Die Exponate stammen zur Hauptsache aus zwei
Privatsammlungen, unter anderem aus dem Fotoalbum einer Familie, die
eng mit der Fotografin befreundet gewesen war. Botteri Balli (er erhebt
den womöglich gerechtfertigten Anspruch, als Erster in der Schweiz
Modotti vorzustellen) ordnet die Bilder der zweiten Werkphase Modottis
zu, in welcher die Reportagen im Vordergrund standen: Porträts der
mexikanischen Bevölkerung, Landschaftsaufnahmen, Dokumentationen der
Wandmalereien von Diego Rivera, dem Mann ihrer Freundin Frida Kahlo.
Subtil fotografiert wird hier, leise, vorsichtig. Denn die Künstlerin -
in den Bildern kündigt sich der Wandel an - wird nach ihren Jahren mit
Weston (er verliess sie, um zu seiner Familie zurückzukehren) und durch
die Bekanntschaft mit der sozial engagierten Fotografin Dorothea Lange
bald zu der politisch denkenden und handelnden Person, als die sie
später in die Geschichte eingeht. Das Leben der Tina Modotti ist der
Stoff, aus dem die Träume sind - und die Filme. In Zürich sind die
ersten Bilder daraus zu sehen.
Daniele Muscionico
Zürich, Galerie ArteF (Splügenstrasse 11), bis
18. März. Modottis Bilder werden von Arbeiten der zeitgenössischen
mexikanischen Fotografin Lucia Messeguer begleitet.
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